Adresse
Mariahilfer Straße 18, 1070 Wien

Baujahr - Abrissjahr
1895 - 2021

BauherrIn
Stefan Esders

ArchitektIn
Friedrich Schachner

Letzte BesitzerIn
SIGNA Holding GmbH

Abrissfirma
Mayer & Co.

Funktion
Geschäfts- Fabriks- und Wohngebäude

Stil
Neorenaissance, Jugendstil

Bauweise
Ständerbau (Klinker, Granit, Eisenbeton)





Warenhaus Esders

Geschichtsträchtiges Warenhaus Esders weicht einem Allerweltsbau.
Das „Warenhaus Esders“ (ab 1964 „Leiner-Haus“ genannt) war ein bedeutendes Kaufhaus der Wiener Jahrhundertwende und wurde 1895 nach Plänen des Architekten Friedrich Schachner errichtet. Das sechsgeschoßige Eckgebäude zeichnete sich durch eine monumentale Kuppel in der Dachzone und 39 elektrisch beleuchtete Schaufenster aus. Die Funktionsaufteilung des Gebäudes umfasste den Verkauf von Bekleidung und Accessoires in den unteren beiden Geschoßen, eine Textilfabrik in den darauf folgenden zwei Geschoßen und Wohnungen in den obersten beiden Geschoßen. Nach wechselvollen Umbauphasen und der Übernahme durch die „Möbel Leiner GmbH“ 1964 wurde das Gebäude 2021 aufgrund der Insolvenz des Möbelunternehmens und des Verkaufs an die SIGNA Holding Gruppe vollständig abgerissen. Ab 2025 soll das Areal durch das Luxus-Shoppingcenter „Lamarr“ ersetzt werden, welches auch ein Hotel und eine begrünte Dachterrasse umfassen soll.
Axonometrie
Ansicht + Schnitt

Gebäudezyklus

Vom Modehaus zum Möbelhaus
Ursprünglich als „Warenhaus Esders“ im Pariser Stil erbaut, unterlag das Gebäude im Laufe der Zeit verschiedenen Veränderungen. Durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges wurde die dekorative Gestaltung sukzessive vereinfacht und das Gebäude modernisiert. Nach Übernahme durch die Leiner GmbH wandelte sich das Gebäude zum „Leiner-Haus“, das bis zur Pleite des Unternehmens 2018 Einrichtungsgegenstände verkaufte. Durch diese Umnutzung wurde die einstige Ära des prunkvollen „Warenhaus Esders“ unwiderruflich ausgelöscht.
2021 folgt Totalabriss trotz Schutzzone
Das „Leiner-Haus“ wurde im Jahr 2021 trotz seiner Lage in einer Schutzzone und der erst 2018 verschärften Gesetze gegen Hausabbrüche aufgrund eines von den neuen Besitzern, der SIGNA Holding GmbH, eingereichten Abrissgutachtens vollständig abgerissen. Die umfassenden Umbauten ab den 1950-er Jahren, geprägt von einer als wenig erhaltenswert betrachteten Nachkriegsmoderne, führten zu einem mangelnden öffentlichen Interesse an der Bewahrung des Gebäudes im örtlichen Stadtbild

Schutz-Kontroverse

Seitenansichten West 1895 (links) und 2019 (rechts)
Leiner-Haus doch erhaltenswert?
Der Abriss führte zum Verlust eines der letzten erhaltenen Wiener Warenhäuser der Gründerzeit.Die Überlegung bleibt, ob der Totalabriss des „Leiner-Hauses“ trotz äußerlicher Vereinfachungen und Modernisierungen im Inneren zwingend notwendig war.Bautechnisch war das Gebäude nach der Generalsanierung von 2016 in einwandfreiem Zustand, die Grundkonstruktion von 1895 blieb weitgehend im Original erhalten. Einzig der fehlende Stuckdekor legitimisierte den vermeintlich erforderlichen Abriss. Diese Entscheidung wirft die Frage auf, wie wir mit unserem historischen Baubestand in Zeiten von Klimakrise und Wirtschaftsdruck nachhaltig und angemessen umgehen sollten.

Interview

Monika Grußmann war Bezirksrätin bei den Grünen und leitet seit Mitte 2019 ehrenamtlich das Bezirksmuseum Neubau. Sie ist Bautechnikerin, Raumdesignerin und Künstlerin. Durch ihr Engagement ist ein Teil der insgesamt 300 Meter langen Jugendstilkonstruktion aus dem „Leiner-Haus“ seit September 2022 einTeil der Schausammlung des Bezirksmuseums.

Das Interview mit Monika Grußmann vom Bezirksmuseum Neubau zu dem Abriss des „Leiner-Hauses“, gibt es zum Nachlesen in der Broschüre unter dem Menüpunkt „Booklet“.
J: Das „Leiner-Haus“ wurde 2021 vollständig abgerissen. Welche Bedeutung und welchen kulturellen Wert hatte das Gebäude zuvor für den Bezirk Neubau und die Mariahilfer Straße? Wie stehen Sie persönlich zu dem Abriss?
G: Das „Leiner-Haus“ spielte durch seine Vorgeschichte als „Warenhaus Esders“ eine identitätsstiftende Rolle für den Bezirk Neubau und zählte zu den großen drei Warenhäusern der Mariahilfer Straße. Bevor ich 2013 erstmals ehrenamtlich für das Bezirksmuseum tätig wurde, kannte ich den Hintergrund des Gebäudes nicht. Man sprach meist nur vom „Leiner-Haus“, egal ob in Gesprächen oder in Berichten. Als Bauingenieurin hat mich der Abriss gar nicht überrascht. Waren Sie vor dem Abbruch im „Leiner-Haus“ und haben es als toll empfunden? Ich fand das Gebäude furchtbar und schwer zu durchschauen, vor allem aufgrund der zahlreichen Umbauten, die verschiedene Stile durcheinanderbrachten. Vor dem Abbruch gab es auch Stimmen, das „Warenhaus Esders“ äußerlich wiederherzustellen. Doch man rekonstruiert oder historisiert heute nicht mehr. Was ist an einem circa 18-mal umgebauten Gebäude schützenswert? Vielleicht der originale Ziegel, der in ihm steckt. Nicht alles Alte ist automatisch schützens- und erhaltenswert. Der Verlust des Gedächtnisses an die Firma Esders und ihre traditionsreiche Warenhausgeschichte bedauere ich allerdings. Aber das Möbelunternehmen „Leiner“ ist kein Kulturgut Wiens, daher frage ich mich, wozu man am „Leiner-Haus“ festhalten hätte sollen?...

Gegenüberstellung

Leiner-Haus, Fotografie 1980. ©Percze Lajos
Warenhaus Esders - Altbau
Lamaar Kaufhaus, Visualisierung. ©MeinBezirk.at
Neubau - Lamar
ArchitektIn
OMA

BauherrIn
SIGNA Holding GmbH

Fertigstellung
2025

Typologie
Shoppinghaus, Hotel
Grundstücksfläche
ca. 7.349 m2

Bruttogeschossfläche
ca. 45.700 m2

Baukosten
ca. 380.000.000 €